/Detelina Kamenova, Öffentlichkeitsarbeit, Internationale Elias Canetti Gesellschaft, Journalistin/

/Roman Kissiov, Autor von “Träumen und Sehen” und “Die Welt der Worte”/

Roman Kissiov, der Dichter-Künstler oder der Künstler-Dichter, präsentierte auf dem Festival
seine neuesten Bücher am Abend des 6. Oktober. Hier sind seine Antworten auf einige Fragen
speziell für „Der Atem Europas“.

  • Was gibt einem Literaturfestival Ihrer Meinung nach die Kraft, ein ganzes Jahr zu überleben?
    aufeinanderfolgenden Jahren?

Meiner Meinung nach lässt sich diese Frage am besten anhand der „Hauptverantwortlichen” für dieses Festival beantworten. Ich denke… nein, ich bin sicher, dass
die Liebe zur Literatur (und zur Kultur im Allgemeinen) und der Bau kultureller Brücken Kraft geben, dieses und ähnliche Festivals zu beleben, zu entwickeln und auszubauen. Ich vermeide bewusst den Begriff des “Überlebens”, denn ich glaube an die Zukunft dieses Literaturfestivals und 15 Jahre Erfahrung sind eine gute Grundlage dafür. Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, dem Team des Internationalen Elias Canetti Gesellschaft und insbesondere Penka Angelova zum Jubiläum zu gratulieren!

  • Was wissen Sie im Besonderen über das von der Internationalen Elias Canetti Gesellschaft organisierte Festival und welchen Platz nimmt es unter den anderen Literaturfestivals in Europa und Bulgarien ein?

Im Laufe der Jahre habe ich zweimal am Literaturfestival teilgenommen und auch an mehreren
anderen literarischen Veranstaltungen, die von der IECG organisiert wurden, und ich kann sagen, dass ich dieses Festival liebe! Und der Grund dafür ist nicht nur meine Liebe zu Ruse – der Stadt, in der ich einen großen Teil meines Lebens verbracht habe… Das Festival ist definitiv physiognomisch, mit einer erkennbaren Identität und auf europäischer Ebene, wählt die Teilnehmer sorgfältig- bekannte Namen nicht nur in der nationalen Literatur, sondern auch in der internationalen. Ich sollte hier erwähnen, dass im Festivalprogramm bulgarische KünstlerInnen immer präsent sind. Das Programm jeder Ausgabe ist abwechslungsreich, es ist reichhaltig und stellt Verbindungen zu anderen Künsten her – Kunstausstellungen, Performances, Filmvorführungen, usw. Ein weiterer Vorteil ist, dass die IECG international agiert und aktiv mit europäischen Institutionen und kulturellen
Organisationen kooperiert. Und nicht zuletzt zählt auch die “Aura” des Namens des Patrons – des Weltenbürgers und Schriftsteller Elias Canetti, sowie die Atmosphäre seiner Heimatstadt, der
europäischsten bulgarische Stadt – Ruse.

  • Warum muss ein Schriftsteller, ein Dichter, ein Künstler überhaupt live mit einem Publikum zusammentreffen und auf Festivals präsentiert werden?

Die Literatur ist ebenso wie die schönen Künste eine einsame Beschäftigung, die direkte Beziehung zum Publikum, Festivals und Live-Begegnungen bieten eine Gelegenheit für solche Verbindung zwischen Autor und Publikum, was sowohl für die Autoren als auch für das Publikum immer nützlich ist.

  • Was erwarten Sie von den Live-Treffen mit dem Publikum in Ruse?

Ich erwarte, alte Freunde und Kollegen zu treffen, aber auch neue Bekanntschaften zu machen.

  • Was sollte das Publikum von einer Begegnung mit Ihnen erwarten?

Meine beiden jüngsten Bücher – “Träumen und Sehen” (Kurzgeschichten, 2021) und “Die Welt der Worte“ (ausgewählte und neue Gedichte, 2022). Ich werde über einiges erzählen, was mit meinen Werken zusammenhängt und einige Texte lesen. Ich beantworte auch gerne Fragen des Publikums, falls es welche gibt.

  • Wo findet sich mehr Raum für künstlerische Interpretation – im realen Leben oder in den sozialen Medien?

In den letzten Jahren, vor allem seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie, scheint dies der Fall zu sein:
Wenn die Welt aus verständlichen Gründen stillsteht, werden die Themen (nicht nur der Kunst, sondern auch der alle Bereiche des Lebens) sich größtenteils in den virtuellen Raum verlageren und
vor allem in die sozialen Medien. Man könnte sagen, dass es sich um ein Phänomen handelt, das auf der einen Seite konstruktiv und positiv, andererseits aber auch destruktiv und negativ gesehen werden kann.
Es kommt darauf an, wer es nutzt und wofür. Ich kann sagen, dass es für die Kunst
eine gute Gelegenheit war (und ist). Aber es ist an der Zeit, die lebendige Verbindung und Kommunikation wiederzuentdecken und neu zu beleben. Es gibt bereits einen spürbaren Durst der Menschen danach und Festivals unterstützen diesen Prozess.

  • Wie sehen Sie die geografischen Grenzen heute, wo die Welt Erschütterungen anderer Art erlebt?

Es ist klar, dass sich die Welt und die Menschheit derzeit in einer (Übergangs-)Periode großer Veränderungen befinden.
Es ist möglich, dass diese Veränderungen auch zu einer Veränderung der geografischen Grenzen führen werden. Für mich wichtiger sind jedoch die geistigen Grenzen… Diese geistigen Grenzen, die eindeutig die Dimensionen des Lichts von denen der Dunkelheit zu unterscheiden und zu trennen versuchen, das Gute vom Bösen, die Wahrheit von der Unwahrheit!