Vor 115 Jahren, am 25. Juli, wurde Elias Canetti in Ruse (damals Rustschuk) geboren. 76 Jahre später, im Jahr 1981, erhält er den Nobelpreis für Literatur für sein schriftstellerisches Werk. Zu diesem Zeitpunkt ist der Name Elias Canetti in Bulgarien nur in einem kleinen Kreis Intellektueller bekannt. Für die kommunistische bulgarische Regierung war Canetti „unbequem“, seine Schriften wurden aufgrund seiner öffentlichen Unterstützung des sowjetischen Dissidenten Andrei Skharovs verbannt. “Lästig“, vor allem für die damalige totalitäre Herrschaft, war auch sein wohl signifikantestes Werk „Crowds and Power“ (zu deutsch: „Masse und Macht“). Ein Jahrzehnt später hätten wir Elias Canetti in Bulgarien lesen können und vermutlich sein Bekenntnis als Europäer_innen zu schätzen gewusst: „“Anything I subsequently experienced had already happened in Rustchuk”. (zu deutsch: „Alles, was ich später erfahren habe, habe ich bereits in Rustschuk erfahren“). Er sagt dies, obwohl es ihn eher nach London, Wien und Zürich zieht. Diese Städte sind für ihn „special urban deities“ (zu deutsch: heilige urbane Städte), wie er sie in seiner Nobelpreisrede betitelt. In dieser Rede würdigt Canetti außerdem Carl Klaus, Franz Kafka, Robert Musil und Hermann Broch. Mit den Worten „ It would be impossible not to think about these four men. If they were still alive, I think one of them would be in my place“ (zu deutsch: es wäre unmöglich, nicht an diese vier Männer zu denken. Wären sie noch immer am Leben, stünde vermutlich einer von ihnen an meiner Stelle“) schließt Canetti seine Nobelpreisrede ab. Elias Canetti wurde 89 Jahre alt. Er starb in Zürich und wurde neben James Joyce beerdigt.

Jede_r Bulgar_in mit Interesse an einer kulturellen oder philosophischen Bildung kann heute auf das literarische Erbe des Elias Canetti zugreifen, genauso wie auf die Botschaften Canettis, die noch immer als modern gelten und zu den gesellschaftlichen Themen des 21. Jahrhunderts passen. 1992 gegründet, hält die Internationale Elias Canetti Gesellschaft seit fast 30 Jahren Ausschau nach einem/einer neuen Nobelpreisträger_in. Seit 12 Jahren findet das Internationale Literaturfestival im Canetti-Haus statt und auch die Österreich-Bibliothek feiert ihr 15-jähriges Bestehen.

Am 25. Juli erinnert sich die Mitgliederversammlung der Internationalen Elias Canetti Gesellschaft an ihr Entstehungsjahr. Die für den Oktober geplanten Feierlichkeiten mit vielen Gästen und Events, um 15 Jahre Österreich-Bibliothek in Ruse und 115 Jahre Elias Canetti gebührend zu zelebrieren, wurden aufgrund der Covid-19-Pandemie verschoben. Wir hoffen, die Veranstaltung Ende des Jahres 2020 nachholen zu können.