Geschichte zu reinszenieren: So das Ziel des Projekts „Ruse Reloaded: re/en/action“. Im Sommer 2011 unternahm die deutsche Künstlerin Janne Schäfer mit Mitgliedern des Deutsch-Bulgarischen Freundschaftsvereines in Ruse diesen Versuch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Verena Ries entwickelte die Künstlerin das Konzept für diese Art performativer und ortsspezifischer Workshops.

Die Stadtbewohner und –bewohnerinnen wurden in einem dreitägigen Workshop zu einer intensiven Diskussion herausgefordert: Es ging um ihre subjektive Perspektiven auf den öffentlichen Raum und um die verschiedenen historischen Ebenen und Umdeutungen des Stadtraums – wo sich früher eine Kirche erhob, ist heute ein sozialistisches Denkmal, wo einst eine Fabrikhalle stand, steht heute vielleicht eine Shoppingmall. In dem Workshop stellten sich die Teilnehmer die Frage, unter welchen Umständen die Architektur der Stadt entstanden ist, wie sie sich veränderte und wie die Menschen heute mit dem urbanen Erbe umgehen.

Am dritten Tag des Workshop wurden die Teilnehmer dann selbst zu Akteuren und der urbane Raum zu ihrer Bühne.  Ein historischer Punkt am Hauptplatz wurde gemeinsam ausgewählt, der verschiedenste Ebenen der jüngeren und älteren Stadtgeschichte vereint. Bis kurz vor 1900 stand an dieser Stelle die große Moschee der einst osmanischen Donaustadt, der spätere Platz der Freiheit war der zugehörige muslimische Friedhof. Moschee und Friedhof verschwanden, ein Casino folgte, dann die zentrale Bushaltestelle, die sich schnell zum Verkehrsknotenpunkt entwickelte und zum urbanen Hotspot avancierte. Hier gab es die besten Hotdogs der Stadt und 1965 den ersten Getränkeautomaten Bulgariens. In den 1970er Jahren wurde die Innenstadt verkehrsberuhigt, der beliebte Busstop verlor seinen Zweck, so dass er ersatzlos abgerissen wurde. 2011 verändert der Platz durch einen Großumbau wieder einmal sein Gesicht.

In einer gemeinsam erarbeiteten Performance reinszenierten die Workshop-Teilnehmer diese historischen Momente der Stadtgeschichte, sie banden dabei ihre persönlichen Erinnerungen und aktuelle Beobachtungen mit ein. Die audio-visuelle Dokumentation des Workshops und der Reinszenierung wird im Rahmen der Architekturausstellung „Das bulgarische Modell“ im September und Oktober 2011 im Canetti-Haus in Ruse präsentiert.

Kurze Projektdokumentation (PDF)