14. Internationales Literaturfestival Ruse 2021 „Der Atem Europas“

Das LITERATURFESTIVAL RUSE ist das älteste internationale Literaturfestival Bulgariens. Sowohl bekannte Schriftsteller*innen und Preisträger*innen prestigeträchtiger Auszeichnungen als auch junge, innovative Literaturschaffende aus beinah allen europäischen Ländern waren bereits zu Gast. Unser Festival ist ein internationales Aushängeschild. In kreativer Atmosphäre werden Werke vorgestellt und Projekte diskutiert. Die diesjährige Veranstaltung vertritt als Höhepunkt Literaturschaffende, die für den Elias Canetti Literaturpreis nominiert sind.

Das Literaturfestival Ruse ist ein utopischer Raum, der die kulturelle Vielfalt in der Region fördert und eine Vielzahl von Sprachen sowie literarischen und künstlerischen Genres rund um die Literatur bietet. Es ist offen für alle, die in seinen Zauber eintauchen wollen, und fördert internationale Kontakte im Bereich der Kultur und Kunst.

Das 14. Literaturfestival findet vom 1. bis 17. Oktober 2021 in Ruse statt und steht unter dem Motto „Der Atem von Europa“.
Die COVID-19-Pandemie hat auch diesem „Atem“ andere Dimensionen verliehen. Da in diesem Jahr der Elias-Canetti-Literaturpreis verliehen wird, werden die nominierten Autoren an diesem Festival teilnehmen. Wir hoffen, dass diese Präsentation auch bei anderen Festivals Anklang finden wird.

01. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Yordan Kissiov wurde am 19. Januar 1945 in Bisertsi, Region Razgrad, geboren. Er schloss das Kunstgymnasium in Sofia in der Klasse von Dimitar Arnaudov ab und absolvierte anschließend ein Studium der Monumentalmalerei (Wandmalerei) an der Fakultät für Bildende Künste der Universität Veliko Tarnovo. 1973 trat er als Kurator in die Kunstgalerie in Silistra ein und war von 1990 bis 2013 deren Direktor. Seit 1972 nimmt er regelmäßig an den nationalen Ausstellungen in Bulgarien und an repräsentativen Ausstellungen der Union bulgarischer Künstler im Ausland teil: Mexiko, Frankreich, Russland, Italien, Ägypten, Spanien, Portugal, Rumänien, Polen, Ungarn, Indien, Deutschland, usw.

YORDAN KISSIOV – AUSSTELLUNG

Momchil Nikolov (geb. 1970) hat Medizin studiert, widmet sich aber seit fünfzehn Jahren hauptsächlich dem Schreiben. Er hat acht Bücher veröffentlicht: Reisende (Novelle), Kurzgeschichten, Fragmente eines Zimmers (Kurzgeschichten), Verrückte Doris (Kurzgeschichten), und die Romane Haschischöl, Das oberste Stockwerk, Der kugelförmige Fisch, und Maschinen für die Liebe. Alle Bücher von Momchil Nikolov wurden mehrfach nachgedruckt und erfreuen sich bei Leserschaft und Kritik großer Beliebtheit. Er wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommiertesten Preis Bulgariens, dem Helicon-Preis, für „Der kugelförmige Fisch“.

LESUNG, 19:00

Checkmo – 517 Seiten Monolog, ein Gespräch mit der Uhr, mit der Zeit, die nicht angehalten werden kann, aber man kann ihr einen Sinn geben. Ein Buch, in dem wir über die „Sinngebung“ der unmittelbaren Vergangenheit sprechen können. Es beginnt mit dem so genannten Vazrojdenski Prozess (Wiederbelebungsprozess). Über den Druck, der auf die Bevölkerung ausgeübt wurde, dargestellt aus der Sicht eines „unfreiwilligen Teilnehmers“, der sich der Miliz widersetzte, aber zur Kooperation gezwungen wurde. Ob sich aus dieser Betrachtung eine „Überwindung“ ergibt, bleibt offen; genauer gesagt stellt sich die Frage, welches System die Kinder aus Bulgarien vertrieben hat.

„Das ruhige Leben war nichts für uns. Alles musste außergewöhnlich sein, wild, aus den Angeln gehoben, ein großes Abenteuer, auf das wir uns gemeinsam einlassen würden. Und ich glaube, die Entscheidung, dieses große Abenteuer gemeinsam zu erleben, wurde genau an diesem Ort getroffen, am Checkpoint Charlie Museum. Ich verstand, ich spürte, dass sie mir folgen würde, egal, was ich tat, wohin ich ging. Wir beide wollten diese Freiheit so sehr, dass wir als Ausstellungsstücke in diesem Museum hätten bleiben können, auch wenn wir die Berliner Mauer nicht überwunden hatten. Wir hatten eine andere, nicht minder schwierige Mauer überwunden – die, die in jedem Menschen steckt und ihn dazu bringt, vor ihr stehen zu bleiben, sie zu umgehen, den leichteren Weg zu wählen – wo jeder hingeht und Hindernisse, zumindest scheinbar, nicht in Sicht sind.“

02. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Phelia Barouh ist die Mitbegründerin und Kuratorin des Fotofestivals Foto Fabrika in Sofia, Bulgarien. Derzeit arbeitet sie an einem persönlichen Projekt und ihrem ersten Buch mit dem Titel „Palermo. Box. Me.“ als Ergebnis eines Kunstaufenthalts in Palermo, Sizilien. Sie hat in Brüssel, Madrid, Sofia und Mexiko-Stadt studiert. Phelia Barouh war zweimal Finalistin des Wettbewerbs Canon Picture of the Year in Sofia, Bulgarien, und einmal des EFTI-Fotowettbewerbs in Madrid, Spanien.

AUSSTELLUNG UND BILDBAND

PALERMO. BOX. ICH. – Ausstellung und Bildband

„Dies ist eine Geschichte. Sie handelt von Gewinn und Verlust. Über die Spuren, die wir mit uns tragen – in unseren Gesichtern, in unseren Herzen. Eine Geschichte über den Weg, über zufällige Begegnungen und eine endgültige Trennung. In einer unbekannten Stadt, auf einer alten Insel. Eine Geschichte über die Kämpfe – meist die, die wir mit uns selbst austragen. Dies ist meine Geschichte, aber es hätte auch deine sein können. Ich bin froh, dass ich diese Geschichte erzählt habe, denn es braucht viel Kraft, um zu erkennen, wann man schwach ist.“

03. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Hristo Karastojanow, geboren am 22. Februar 1950, ist ein zeitgenössischer bulgarischer Romanautor. Er wurde in Topolovgrad geboren, studierte bulgarische Philologie an der Universität Plovdiv und debütierte 1981 mit den Erzählungen „Gesprungener Asphalt“. Er ist Mitglied des bulgarischen Schriftstellerverbands, arbeitet und lebt in Jambol. Er ist Autor von 26 Büchern – Belletristik, politischer Journalismus und Lyrik. Sein Roman „Autopia: Der andere Weg zur Hölle“ (2003) steht auf der Liste der ersten fünf Bücher, die für den Preis der Vick-Stiftung nominiert wurden. Andere seiner Bücher wurden für den Preis der Helikon Buchläden nominiert, darunter sein neuester Roman „Der Name“ (2012). Er wurde mit einer Reihe von Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis des bulgarischen Schriftstellerverbands für „Anmerkungen zur historischen Naivität“.

LESUNG

Hristo Karastojanows Roman „T wie Taschkent“ kann als Teil einer Trilogie betrachtet werden, zu der auch die beiden anderen Werke „Ein und dieselbe Nacht“ und „Das Leben hat keine andere Hälfte“ gehören. Gleichzeitig ist es auch eine Erzählung, die den größeren politischen Kontext der Ereignisse, nicht nur der beiden Romane, sondern auch der drei Bücher von „Teufelszwirn“, entfaltet. Mit „T wie Taschkent“ erreicht der Autor jene Dichte seines langjährigen Interesses an einer der obskursten und am meisten verfälschten Perioden der bulgarischen Geschichte, die es ihm erlaubt, eine überzeugende und wahrheitsgetreue Interpretation davon auf künstlerisch-fiktionale Weise zu schaffen.

Die Erzählung folgt dem Schicksal eines bulgarischen Journalisten, der Anfang der 1950er Jahre unter der Aufsicht der Staatssicherheit Zugang zu streng geheimen Archiven über die Ereignisse im Bulgarien der 1920er Jahre erhält. Die Aufdeckung der dokumentarischen Wahrheit darüber führt ihn zu unerwarteten Begegnungen mit Persönlichkeiten der Vergangenheit, aber auch zu der Frage nach dem Schicksal derjenigen, die die Wahrheit kennen. In einer Welt hinter den Kulissen, in der der lange Arm der sowjetischen Geheimdienste das öffentliche Leben Bulgariens überwacht, ob vor oder nach dem 9. September 1944, sind die Träger von Wahrheit und anständigem Verhalten dem Untergang geweiht, und die politischen Akteure, die die Situation ausnutzen, schreiben mit ihrer Langlebigkeit und ihrem Mangel an Moral Geschichte.

05. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Margret Kreidl wurde in Salzburg geboren. Sie lebt in Wien und arbeitet als freiberufliche Autorin. Seit 1990 werden ihre Stücke im In- und Ausland aufgeführt, zuletzt 2016 im National Drama Centre in Montpellier. Sie hat zahlreiche Hörspiele für den ORF geschrieben und ihre Bücher werden seit 1995 regelmäßig veröffentlicht. Sie war Writer-in-Residence in Deutschland, Serbien und der Schweiz und Gastdozentin in den USA. Für ihre Arbeit erhielt sie mehrere Preise und Stipendien, darunter 2016 das Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien und 2018 den Preis des Bundeskanzleramtes für herausragende Literaturschaffende. Kürzlich erhielt sie den Literaturpreis der Stadt Wien für das Jahr 2021.

LESUNG

„EINLEUCHTEND WEISS“

Spiel und Regel gehören für Margret Kreidl zusammen, gerade im Gedicht. Sie verwendet in »Schlüssel zum Offenen« das G-E-D-I-C-H-T buchstäblich, als Codewort für ihre siebenzeiligen Gedichte. Mit dieser strengen Vorgabe macht sie die Möglichkeiten des lyrischen Sprechens sichtbar: freie Verse, Reime, Listen, Zeilensprung.  Die Autorin verortet ihr Schreiben in der Zeit, in der Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft, deren Krise sich in der Sprache spiegelt. Sie versteht das Gedicht immer auch als Dialog mit anderen, mit Literatur, Kunst und Medien. So kommen Anne Carson und Candy Crash zusammen, Live-Ticker und Märchenmotive, Tendenzbären und Trolle, Wanderkrapfen, der Hinkjambus und das türkische Wort haymatloz. Die Lust am Wort und die assoziative Bildkraft dieser Gedichte beflügeln nicht nur unsere Phantasie, sondern schärfen zugleich das Bewusstsein. Mit ihren GEDICHT-Gedichten nimmt Margret Kreidl das Spiel mit dem Akrostichon auf und reflektiert seine Form in einer Serie von 107 Leistengedichten, die zeigen, wie produktiv Selbstbeschränkung für unsere Gegenwart ist, für das Gedicht.

06. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Amanda Lasker-Berlin wurde 1994 in Essen geboren und lebt in Frankfurt am Main. Ihr erstes Theaterstück inszenierte sie im Alter von 18 Jahren. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium an der Bauhaus-Universität in Weimar studierte sie Regie an der Akademie der Bildenden Künste Baden-Württemberg. Ihre Theaterstücke und Prosa wurden mehrfach ausgezeichnet. Ihr Debütroman Elijas Lied (Frankfurter Verlagsanstalt) erhielt den lit.COLOGNE 2020 Debütpreis und wurde für Das Debüt 2020 – Bloggerpreis für Literatur nominiert.

LESUNG

„Iva atmet“ ist ihr zweiter Roman.

Ruhig beschatten die Bäume das Familienhaus in Dresden, in das Iva zum ersten Mal seit vielen Jahren zurückkehrt. Ihr Vater, ein einflussreicher Richter, hat die beiden toten Baumriesen dort einbetoniert, in Erinnerung an die Kindheit ihrer Großmutter unter deutscher Herrschaft in Südwestafrika, dem heutigen Namibia. In dem Moment, in dem der Vater stirbt, werden alte Bilder und Erinnerungen in Iva wach: Fragen über die Vergangenheit im Dritten Reich, die konspirativen Treffen, bei denen der Vater Trinksprüche über alte Zeiten ausspricht, die sie als Kind mitgehört hat. Als die Konturen der Täterfamilie immer deutlicher werden, kommt Iva nicht mehr zum Luftholen.
Mit „Iva atmet“ spricht Amanda Lasker-Berlin wichtige gesellschaftliche Themen an: die persönliche Bedeutung von historischer Schuld, das Schweigen der Familie und die deutschen Kolonialverbrechen. Ohne Pathos und Effekthascherei, aber mit großer Leichtigkeit und Anschaulichkeit verwebt die Autorin ihren Stoff zu einer bewegenden Geschichte.

07. Oktober, Haus Canetti, 18:00

AUSSTELLUNG „Lems Tierleben nach Mróz“

Die Ausstellung „Lems Tierleben nach Mróz“ präsentiert die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Stanislav Lem und Daniel Mróz. Die Zeichnungen von Daniel Mróz (1917-1993) für die Geschichten von Stanisław Lem spielen mit den Vorstellungen von Außerirdischen und Robotern, die vom Kino und der Science-Fiction-Literatur geprägt wurden. Sie spielen mit den mittelalterlichen Bildern von Dämonen und Teufeln, Abbildungen von Geschöpfen aus Bestiarien, Stichen aus alten Enzyklopädien, surrealistischen Erzählungen, verzerrten Deformationen, Illustrationen zu Jules Vernes Romanen, Poes Erzählungen und der Bibel. Sie spielen mit der Malerei alter und moderner Meister und schaffen eine Welt der Außerirdischen, die verblüffend ähnlich ist zu der Welt, die uns umgibt.
Die Zeichnungen entstanden größtenteils für die polnischen Ausgaben von „Buch der Roboter“ (Księga robotów, 1961) sowie „Kyberiade“ (Cyberiada 1965 und 1972).

LESUNG, 18:30

Stanisław Lem (1921-2006) war ein polnischer Philosoph und Schriftsteller (Belletrist, Essayist, Satiriker und Kritiker). Seine Bücher wurden in 41 Sprachen übersetzt. Er ist der Autor des grundlegenden philosophischen Werks Summa Technologiae, in dem er die Schaffung einer virtuellen Realität und einer künstlichen Intelligenz ins Auge fasst und die Idee einer Autoevolution des Menschen entwickelt.

Solaris“ – der berühmteste Roman eines der großen Meister der Science-Fiction, Stanislaw Lem, gehört zum Subgenre, das den Kontakt mit außerirdischer Intelligenz erforscht. Dieses Werk, das in verschiedenste Sprachen übersetzt wurde, bietet eine originelle Vision des unbekannten außerirdischen Geistes, während es auf einzigartige und spannende Weise das Drama der Selbstfindung und die kosmischen Dimensionen der Liebe darstellt. Die Idee eines Ozean-Gehirns, das die Oberfläche des Planeten Solaris bewohnt und in der Lage ist, menschlichen Erinnerungen und Gedanken eine materielle Form zu geben, lässt weder den Psychologen Chris Kelvin und seine Astronauten-Kollegen von der im Roman beschriebenen Raumstation, noch die Millionen von Lesern des polnischen Schriftstellers unberührt zurück. Auch nicht die berühmten Regisseure Andrej Tarkowski und Steven Soderbergh, die das Werk 1972 bzw. 2002 verfilmten. Zum hundertsten Geburtstag von Stanislaw Lem bietet der Colibri-Verlag den Science-Fiction-Fans eine neue, vollständige Übersetzung der zuvor veröffentlichten zensierten und gekürzten Fassung seines bemerkenswerten Meisterwerks.

Eine Welt am Abgrund – Stanislaw Lem im Gespräch mit dem polnischen Kritiker und Journalisten Tomasz Fialkowski am Rande des letzten Jahrhunderts und an der Schwelle des neuen Jahrtausends. „Wir segeln auf einem großen Fluss auf einen unbekannten Ozean zu, und wir stehen erst am Anfang der Reise“, sagt der große polnische Phantast und Visionär. Und er spricht über seine Kindheit, seine Entwicklung als Mensch und als Schriftsteller. Die Jahre der deutschen und sowjetischen Besatzung, der steile Weg zur Literatur, die menschliche Torheit, Religion und Wissenschaft, die Übel der Geschichte, die Irrwege der Kultur – über all diese Themen spricht der Schriftsteller offen, ohne seine Ängste und Hoffnungen zu verbergen, und warnt vor den Gefahren, die auf die Menschheit lauern. Wohin werden uns die Versuche, den Menschen zu „reparieren“, und die Kreuzung zwischen Technik und Biologie führen? Welche Aussichten hat die Wissenschaft; kommt ihr Ende? In 16 faszinierenden Gesprächen reflektiert Stanislaw Lem, der vor genau hundert Jahren geboren wurde und uns 2006 verlassen hat, noch einmal über das, was ihn sein Leben lang fasziniert hat in unserer „Welt am Abgrund“.

08. Oktober, Haus Canetti, 19:00

Elitsa Petkova studierte Philosophie und Japanologie an der Universität Düsseldorf und anschließend Filmregie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Sie hat zwei abendfüllende Spielfilme, zwei Dokumentarfilme und ein Dutzend Kurzfilme gedreht. Ihre Filme wurden auf zahlreichen renommierten internationalen Festivals präsentiert und ausgezeichnet, darunter die Filmfestspiele von Cannes und Berlin.

FILMVORFÜHRUNG UND DISKUSSION

EIN FISCH DER AUF DEM RÜCKEN SCHWIMMT

Andrea ist eine Frau ohne Vergangenheit – energisch, impulsiv, direkt und unberechenbar. Philipp und Martin sind Vater und Sohn – und beide in sie verliebt. Von Andrea wird erwartet, dass sie die Abwesenheit der verstorbenen Hannah füllt. Was folgt, ist ein Sommer voller Sehnsucht, der um Trost, Bindung und Sicherheit kämpft. Drei Menschen – ein Haus. Sie leben jenseits der auferlegten gesellschaftlichen Normen und scheitern dennoch an ihren viel zu menschlichen Bedürfnissen. Am Ende bleiben die Leere und die Frage nach der Schuld, auf die keine Antwort gegeben werden kann.

09. Oktober, Haus Canetti, 18:00

LESUNG

Pavla Horakova (*1974, Pilsen) ist eine tschechische Schriftstellerin, Übersetzerin aus dem Englischen und Serbischen, Publizistin und Redakteurin beim Tschechischen Rundfunk. Sie ist Autorin oder Co-Autorin von acht Büchern. Sie debütierte 2010 mit einer Krimi-Trilogie für Kinder und Jugendliche und beteiligte sich an der Zusammenstellung von zwei Buchcollagen mit Briefen und Erinnerungen tschechischer Soldaten, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen haben. Im Jahr 2018 veröffentlichte sie ihren ersten Roman für Erwachsene, Teorie podivnosti, der mit dem tschechischen Magnesia Litera Preis 2019 ausgezeichnet wurde.

„Teorie podivnosti“ beschreibt einige Monate im Leben der Prager Wissenschaftlerin Ada, die in einem fiktiven wissenschaftlichen Institut die Gegenseitigkeit menschlicher Sympathien untersucht. Das Ende der Welt rückt näher, das nach Meinung mancher im Dezember 2012 eintreten soll, und mit ihm eine Vielzahl kleinerer Endpunkte im beruflichen und privaten Leben von Ada und ihrem Umfeld. Das Buch verbindet eine Liebesgeschichte mit einem Mysterium, aber auch Reflexionen über den Sinn des Daseins, die Natur der Zeit, die Geschichte Mitteleuropas und die seltsamen Phänomene, die Ada um sich herum beobachtet und die sie mit ihrem charakteristischen Humor zu einer einheitlichen „Theorie der Merkwürdigkeiten“ zusammenzufügen versucht.

10. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Rusana Burdarska wurde in Lom geboren. Sie absolvierte das Englische Gymnasium in Plovdiv, Bulgarische Philologie an der Universität Kliment Ohridski in Sofia und Europastudien an der Universität Brüssel. Sie hat für bulgarische Verlage und für den Europäischen Kulturmonat 1999 in Plovdiv gearbeitet. Seit 2002 lebt sie in Brüssel, wo sie seit 2006 als Mitarbeiterin der Europäischen Kommission tätig ist. Sie ist Autorin einer Studie über Post-Symbolismus, eines akademischen Kurses über Übersetzung für die europäischen Institutionen und einer theoretischen Arbeit über die Europäische Linke, einer journalistischen Analyse der Situation der Roma und des Romans „6 traurige Geschichten, 1 lustige + 1 interaktive“ (Janet 45, 2002), der auch in Polen und (teilweise) in Mazedonien veröffentlicht wurde und für den die Autorin als Begründerin der offenen Amateurliteratur (Fanfiction) gilt. „Die Erfahrung“ ist ihr zweiter Roman.

LESUNG

„Die Erfahrung“ von Rusana Burdarska ist ein monumentales Werk. Das Buch ist eine komplexe Interaktion zwischen vielen literarischen Gattungen. Aber es bleibt nicht nur auf dem Terrain der Literatur, sondern greift auch in das Terrain des Dokumentarischen ein. Was ist die Phantasie unseres Gedächtnisses? Wo stoßen sich das Private und das Öffentliche Leben ab, und wo ziehen sie sich an? Zwischen unserem eigenen Leben und dem der anderen? Welcher der erzählenden Stimmen aus „Die Erfahrung“ können wir vertrauen? Wie hoch ist der Preis des postmodernen Spiels – und wann wird es todernst? Rusana beantwortet diese banalen Fragen sehr intim und geht über Stereotypen und Automatismen hinaus. Sie ist eine zu kluge Frau. Und sie schreibt furchtbar einnehmend. Das Ergebnis ist, dass wir die Konstruktion unserer eigenen Zeit sehen, wir sehen sie durch ein Teleskop und unter einem Mikroskop. Und die Herausforderungen an den Intellekt sind so groß, dass wir vergessen, was was ist. “
Marin Bodakow

Hairi Hamdan wurde 1962 in Der-Sharaf im Westjordanland geboren. Im Jahr 1967 wanderte er mit seiner Familie nach Jordanien aus, wo er das Gymnasium absolvierte. Seit 1982 lebt er in Bulgarien, wo er 1989 seinen Abschluss als Ingenieur machte, verheiratet ist und drei Töchter hat. Er ist Übersetzer bulgarischer Literatur ins Arabische und hat mehrere Anthologien bulgarischer Dichter und Schriftsteller zusammengestellt, die in der arabischen Welt veröffentlicht wurden. Er hat Weltliteraturpreise in Ägypten, Saudi-Arabien und Palästina gewonnen. Er ist Preisträger des Pen Translation Prize 2018 und des Preises der Union bulgarischer Übersetzer 2018. Seine Werke wurden außer auf Bulgarisch auch auf Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Mazedonisch, Deutsch, Ukrainisch, Schwedisch und in anderen Sprachen veröffentlicht.

LESUNG, 19:00

„Haselnussgärten“ ist Hamdans neuer Roman, und der Autor führt uns mit der Zuversicht und Leichtigkeit eines erfahrenen Erzählers auf seinen Pfaden. Er folgt der Geschichte einer neunköpfigen Familie, in der jedes Mitglied seinen eigenen Weg in die Welt einschlägt. Das Thema des Tages (des Jahrzehnts, des Jahrhunderts – zumindest bisher) – der multikulturelle Dialog im Zeitalter der Globalisierung – steht auch hier im Vordergrund, aber es wird nicht durch die hartnäckigen, inzwischen schmerzlich bekannten Stereotypen untersucht. In Hamdans Roman begegnen wir unkonventionellen Charakteren und ganzen Handlungssträngen, die uns zwingen, die Klischees, mit denen wir „andere Kulturen“ akzeptieren, zu überdenken. – Ivan Langev

11. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Teodora Dimova wurde 1960 in Sofia in der Familie des bulgarischen Schriftstellers Dimitar Dimov geboren. Sie schloss ihr Studium der englischen Philologie an der Universität Sofia ab und war darauf dem Royal Court Theater London angehörig. Sie arbeitet als Redakteurin beim Radiotheater des bulgarischen Nationalradios. Teodora Dimova ist eine der bekanntesten und meistgelesenen bulgarischen Schriftstellerinnen. Sie ist die Autorin von 9 Theaterstücken, darunter „Fyuri“, „Staya № 48“, „Erikapayos“, „Lyubovnitsi“ und weitere, die an verschiedenen Theatern im In- und Ausland aufgeführt wurden. „Die Mütter“ wurde 2006 mit dem Literaturpreis der Bank Austria und KulturKontakt ausgezeichnet und in 9 Sprachen übersetzt. Im Jahr 2010 gewann „Marma, Mariam“ den Hr. G. Danov Preis für bulgarische Belletristik. Ihr Roman „Zug nach Emmaus“ (2013) wurde mit dem Prosa-Preis 2014 des Kulturportals ausgezeichnet. Ihr neuestes Buch „Porasenite“ wurde 2019 bei Ciela veröffentlicht.

LESUNG

Eine Gruppe von Frauen, deren Männer ermordet wurden, geht in der eisigen Februardämmerung zum Ort der Tat. Es schneit. Wie eine Art schwarze Friedensbringer kommen sie, nicht, um die frohe Botschaft zu verkünden, sondern um die Grube zu sehen, in der die Leichen der Männer und ihrer Väter mit Asche bedeckt sind. Der Schnee bleibt nicht auf diesem schwarzen Kreis liegen. Er schmilzt. Alles um ihn herum ist weiß, aber dieser Kreis bleibt schwarz.

Ein Roman über drei Frauen und ein Kind, die schwierige Ereignisse in unserer Geschichte durchleben. Sie sind von dem totalitären Regime betroffen, das durch die sowjetische Besatzung nach dem Putsch vom 9. September errichtet wurde. Wir alle, die wir vor und nach ’89 geboren sind, wir alle, die wir etwas mit Bulgarien gemeinsam haben, sind von diesen Ereignissen ebenso betroffen wie von der Katastrophe von Tschernobyl. Das Ausmaß des Schadens wird erst allmählich sichtbar. Dies ist uns allen leider bekannt.

13. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Iwan Suchiwanow (Iwan Georgiew Iwanow) ist eine der Ikonen des literarischen Lebens nicht nur in Burgas, sondern auch im ganzen Land. Er ist der Autor einer Reihe objektiver kritischer Analysen im Bereich der zeitgenössischen Literatur. Er wurde am 6. September 1961 in Burgas geboren, machte seinen Abschluss in bulgarischer Philologie und arbeitete als Dozent für Anthropologie und Volkskunde an der Freien Universität Burgas.

Er veröffentlicht Gedichte, Kurzgeschichten und Kritiken und ist Autor von Büchern wie „Lacuni“, das mit dem Pegasus-Preis (1997) und dem Literaturpreis für Poesie „Nikulden“ (2000) ausgezeichnet wurde. „Kurzgeschichten“ gehörte zu den Nominierten für die jährlichen Auszeichnungen des Verbands bulgarischer Schriftsteller (2005). „Bewegungen der Fantasie“, „Exil“ und „Tommy. Nachtschicht“ wurden 2009, 2010 und 2013 mit den Petko-Rosen- bzw. Hristo-Fotev-Preisen bei den jährlichen Literaturpreisen der Gemeinde Burgas ausgezeichnet, und die Kurzgeschichtensammlung „Fluchten“ erhielt 2012 den Pegasus-Preis. Im Jahr 2016 wurde sein Gedichtband „Stummes Kino“ mit dem nationalen Preis des Hristo-Fotev-Gedichtwettbewerbs ausgezeichnet.

LESUNG

Hendrix
1973 war ich 12 Jahre alt, als ich zum ersten Mal die Gitarre von Jimi Hendrix hörte… aber nicht im bulgarischen Radio, das neben Shumete debri i balkani und Gyurga Penzhurova auch bulgarischen Pop spielte. Wir hörten Rock – im Programm Metronom des Radios Freies Europa. Die Sendung wurde von unseren sozialistischen Übersetzern gedämpft, so dass der Ton verblasste, der VEF knisterte heftig, aber wir konnten trotzdem hören, was wir hören mussten, und das Feuer spüren, wie Nietzsche, damals als Ideologe des Faschismus denunziert, sagte… Metronom wurde jeden Samstag von 14 bis 18 Uhr ausgestrahlt… mehr lesen

Hendrix und mehr Freiheit

14. Oktober, Haus Canetti, 18:00

LESUNG

Ivan Stankov ist Schriftsteller und Übersetzer sowie Professor für bulgarische Literatur an der Universität von Veliko Tarnovo. Geboren 1956 in dem Dorf Gomotartsi, erlangte er seinen Abschluss in bulgarischer Philologie im Jahr 1982. Er veröffentlichte Monographien über die Werke von Assen Rasvetnikov, Yordan Yovkov, Dimitar Talev, Vasil Popov, Boris Hristov und weitere und übersetzte Bücher von Mircea Kartarescu, Dan Lungu und anderen. Im Jahr 2014 veröffentlichte er eine Triologie von Kurzgeschichten, darin „Erinnerungen an das Wasser. Dm“ (2014), „Straßen und Schiffe. Gm“ (2017) und „Namen unter dem Schnee. А7“ (2019). „Abendhochzeit“ ist sein viertes Buch mit Erzählungen.

Geschichten über andere Zeiten. Erzählung über Ruse.
Es ist überraschend, beeindruckend, spannend, wie Ivan Stankov Epochen im Leben dieser Stadt, in der viele von uns ihre Kindheit, andere vielleicht ihr ganzes Leben verbracht haben, beschreibt und fantastisch zum Leben erweckt. Egal, wie lange wir schon in dieser Stadt und an diesem Fluss leben, über den wir immer noch streiten, ob er blau oder weiß ist, diese Stadt konfrontiert uns mit ihrer unglaublichen, wahren Vergangenheit, die mit bestimmten Gebäuden, Straßen, Orten und vor allem Menschen verbunden ist.

Die meisten der Figuren haben in irgendeiner Form vor hundert Jahren wirklich existiert. Diebe, junge Witwen, Gymnasiastinnen, Detektive, Bierbrauer, Heilige, Selbstmörder, Akrobaten oder Prostituierte – sie alle stammen aus der größten bulgarischen Stadt an der Donau. Sie beschäftigen sich alle mit demselben Thema – der Liebe. Die Liebe findet sie und erscheint ihnen wie eine Offenbarung, aber auch wie ein Fluch. Und der Mensch erweist sich als schwach gegenüber solchen Gaben. Sowohl die Toten als auch die Überlebenden teilen mit dem Leser: Es gibt keinen Ausweg aus der Liebe, wie es keinen Ausweg aus dem Tod gibt.

15. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Viktor Horváth wurde 1962 in Pécs geboren. Er war Töpfer, Lehrer und Babysitter, bevor er zwischen 2003 und 2006 an der Universität von Miskolc promovierte. Seit 2003 lehrt er an der Universität Pécs. Er ist Übersetzer aus dem Englischen, Deutschen und Spanischen. Er gewann den Literaturpreis der Europäischen Union für seinen Roman „Türkischer Spiegel“ 2012. Sein Handbuch „Át avagy New York-variációk“ erschien 2004.

LESUNG

Mein Panzer“ ist ein historischer Roman und schildert die Ereignisse rund um den Angriff der Truppen des Warschauer Paktes auf die Tschechoslowakei im Jahr 1968. Der Protagonist nimmt als Dolmetscher von Janosch Kadar an ihnen teil und wird unwissentlich zum Zeugen und Komplizen von Schlüsselmomenten: vom Einmarsch der „Bruderarmeen“ in die Tschechoslowakei bis zu den Treffen der kommunistischen Führer. Mit der ihm eigenen Ironie enttäuscht Horvath seine Leser auch dieses Mal nicht. Das Kinderspiel mit den Panzern wird real, aber die Figuren können sich nicht von ihrem Infantilismus lösen und die lebendigen Schlüsselmomente der europäischen Geschichte werden zur Farce. „Mein Panzer“ versucht auf spielerische Weise die Mechanismen der kommunistischen Herrschaft zu durchschauen. Die Antworten, die es gibt, sind gleichermaßen humorvoll wie ernst.

Svetla Kyoseva lebt und arbeitet in Budapest. Sie hat an der Universität Sofia Geschichte und Philosophie studiert. Sie ist Chefredakteurin der zweisprachigen Zeitschrift für Kultur und soziales Leben „Hemus“, die seit 1991 in Ungarn erscheint. Sie ist Redakteurin einer Radiosendung in bulgarischer Sprache beim Ungarischen Rundfunk. Sie ist Übersetzerin zeitgenössischer ungarischer Poesie und Prosa. Ihre Übersetzungen sind in Bulgarien in über 150 Publikationen erschienen, darunter mehr als 20 unabhängige Bücher (Imre Kertész, Peter Esterhazy, Peter Nadasz, Lasno Krasnahorkai, Adam Bodor, Endre Kukoreli). Ihre Übersetzungen wurden in den letzten Jahren in fast alle bulgarischen Anthologien ungarischer Lyrik aufgenommen.

16. Oktober, Haus Canetti, 18:00

Yavor Tsanev wurde 1971 in Ruse geboren. Er studierte in Sofia und an der Universität von Veliko Tarnovo. Bis 2009 arbeitete er in der Regionalbibliothek Ruse „L. Karavelov“ in verschiedenen Positionen. Er ist Inhaber des Verlags Gaiana. Seit 2012 gibt er die Zeitschrift für Science Fiction, Fantasy, Krimi- und Horrorgeschichten „Drakus“ heraus. Er ist Preisträger von Belletristikwettbewerben. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören der Sonderpreis für eine Kurzgeschichte bis 1000 Wörter im Namen von Hagop Melkonyan (für die Kurzgeschichte „Das Dorf“), 2013; der Svetlostroy-Preis für Prosa (für die Sammlung „Wein für die Toten“); „Home, sweet home!“ – Kurzgeschichten (2015); „Von Gott geküsst“ – Kurzgeschichten (2018), „Schurken“ – Horrorroman für Kinder (2018) und viele andere.

LESUNG

„Dracus“ ist eine Zeitschrift mit Science-Fiction-, Fantasy-, Kriminal-, Horror-, Mystery- und Abenteuererzählungen. Die erste Ausgabe wurde 2012 gedruckt und erschien bis 2019 viermal pro Jahr, danach halbjährlich, aber mit erhöhter Auflage und verändertem Format. Die Zeitschrift richtet sich an bulgarische Autoren und bietet auch Übersetzungen ausländischer Autoren – Klassiker der genannten Genres. In regelmäßigen Abständen werden Wettbewerbe veranstaltet, deren Gewinnergeschichten in separaten thematischen Sammlungen veröffentlicht werden. Ende 2014 begann die Herausgabe einer Buchsammlung im Namen der Zeitschrift, die bulgarische Autoren aus den Bereichen Science Fiction, Fantasy und Horror vorstellt – „Dracus Kollektion“. Die Zeitschrift wurde von den Fans des Genres in Bulgarien wiederholt zum besten Science-Fiction-Magazin gekürt.

17. Oktober, Haus Canetti, 17:00

Max Czollek wurde 1987 in Berlin geboren. Er ist Mitglied des Kollektivs G13 und Mitherausgeber der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart. Gemeinsam mit Sascha Mariana Salzmann kuratierte er 2016 den Kongress für Desintegration und 2017 die Tage der radikalen jüdischen Kultur im Maxim Gorki Theater. Im Verlagshaus Berlin erschienen die Gedichtbände Druckkammern, Jubeljahre und Grenzwerte, 2018 das Sachbuch Desintegriert euch! im Hanser Verlag.

LESUNG

Max Czolleks verblüffender Denkanstoß, der die Debatte um Integration und Zugehörigkeit verändert – ein wildes Zeugnis der jüdischen Szene

Max Czollek ist dreißig, jüdisch und wütend. Denn hierzulande herrschen seltsame Regeln: Ein guter Migrant ist, wer aufgeklärt über Frauenunterdrückung, Islamismus und Demokratiefähigkeit spricht. Ein guter Jude, wer stets zu Antisemitismus, Holocaust und Israel Auskunft gibt. Dieses Integrationstheater stabilisiert das Bild einer geläuterten Gesellschaft – während eine völkische Partei Erfolge feiert. Max Czolleks Streitschrift entwirft eine Strategie, das Theater zu beenden: Desintegration. Desintegriert euch! ist ein Schlachtruf der neuen jüdischen Szene und zugleich eine Attacke gegen die Vision einer alleinseligmachenden Leitkultur. Dieses furios streitbare Buch ist die Polemik der Stunde.

17. Oktober, Haus Canetti, 18:30

Thomas Perle wurde 1987 in Rumänien geboren. Nach dem Fall des kommunistischen Regimes emigrierte er mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien und schloss sein Studium 2015 ab. Während des Studiums arbeitete Perle als Regieassistent im Schauspielhaus Wien. Im Jahr 2013 gewann er den exil-Literaturpreis für sein Werk „wir gingen, weil alle gingen.“. Perle wurde mehrfach ausgezeichnet und zu Stipendien- und Residenzprogrammen eingeladen. 2016 präsentierte er das gleichnamige Stück am Staatstheater Nürnberg, 2018 erschien sein Buch im Verlag edition exil. 2019 erhielt er den Retzhofer Dramapreis für sein Stück „karpatenflecken“, das in der Spielzeit 2021/22 am Deutschen Theater Berlin und am Wiener Burgtheater uraufgeführt wird.

2021 Residenzprogramm „Sharing Future“ der MDEC, mit Unterstützung der Donaurektorenkonferenz (DRC)

LITERARISCHE LESUNG MIT THEATERAUFFÜHRUNG

DONAUWELLEN

Die Donau. Längster Fluss Mitteleuropas. 2.850 km fließt sie seit Jahrtausenden dahin, beobachtet uns Menschen. Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer.
 Kein anderer Strom auf der Welt weist eine solch soziokulturelle Vielfalt auf, multiethnisch, vielsprachig erstreckt sich der Donauraum über ganz Mittel- und Südosteuropa.

Eine lange und wechselhafte Geschichte. Ein Dasein als längste Grenze, als Handels- und Verkehrsweg. Die Geschichte von Imperien, Monarchien, von religiösen Konflikten weiß sie zu erzählen, vom Zerbrechen großer Reiche, von Kriegen, von Tod, Aussiedlungen, Verbannungen, Auswanderung kann sie berichten.

Thomas Perle ist der diesjährige Artist in Residence der Internationalen Elias Canetti Gesellschaft und lässt in seinem entstehenden Drama „donauwellen“ die Donau und Stimmen der Donau mehrsprachig zu Wort kommen. Während seines Aufenthaltes soll das Stück an den Ufern der Donau weiter wachsen. Aus ihr heraus Inspiration geschöpft werden. Textfragmente des entstehenden Dramas werden szenisch vorgestellt.